Projektmaßnahmen und Ziele 2020 – 2021 und 2022
Seit 2008 setzt sich das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS) für die Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie in Berlin ein. Derzeit wird das Projekt durch eine projektgebundene Zuwendung durch die Beauftragte des Senats von Berlin für Migration und Integration gefördert. Die UNO-Flüchtlingshilfe finanzierte 2020 zudem die Asylverfahrensberatung und 320 Dolmetscherstunden in der Fachstelle für traumatisierte Geflüchtete und Überlebende schwerer Gewalt.
Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Lebenssituation von besonders schutzbedürftigen geflüchteten Menschen in Berlin. Dies geschieht durch die Umsetzung ihrer Rechtsansprüche, aber auch durch Maßnahmen, die auf struktureller Ebene wirken sollen. Im Folgenden werden das Projekt und seine Maßnahmen kurz dargestellt. Bei Fragen können Sie gerne die Gesamtkoordination kontaktieren.
Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit und Beurteilung der individuellen Bedürfnisse (Einzelfallhilfe)
Seit 2008 wurde das Verfahren der Identifizierung besonders schutzbedürftiger geflüchteter Menschen entwickelt. Nach der Hinweisaufnahme und der Feststellung werden die konkreten individuellen Bedürfnisse der Ratsuchenden ermittelt und dokumentiert und entsprechende Hilfsleistungen gesucht. Diese Beratungsarbeit in den Fachstellen stellt die Grundlage der BNS-Arbeit dar. Insgesamt führen die Fachstellen monatlich rund 300 Beratungen durch. Genaue Zahlen können Sie unter Daten und Analysen finden.
Die Mitarbeiter:innen der Fachstellen stellen fest, ob eine besondere Schutzbedürftigkeit vorliegt und welche individuellen Bedürfnisse sich daraus ergeben. Bei Bedarf werden Bescheinigungen über die besondere Schutzbedürftigkeit erstellt. Die Bescheinigung wird zur Vorlage bei Berliner Behörden ausgestellt. Außerdem vermitteln die Fachstellen Geflüchtete je nach Bedarf an weitere Angebote weiter und unterstützten bei der Organisation von Folgeleistungen, z.B. Arzttermine (mit Dolmetscher:innen).
BNS-Fachstellen bieten zusätzlich Asylverfahrensberatung an. Dies soll dazu beitragen, dass die ratsuchenden besonders schutzbedürftigen Geflüchteten ihre Rechte im aufenthalts- und asylrechtlichen Verfahren kennen und wahrnehmen können.
Für psychisch stark belastete Personen führen die Fachstellen für traumatisierte Geflüchtete und Überlebende schwerer Gewalt Kriseninterventionen und Stabilisierungsgespräche durch.
Datenmanagement
Auf Grundlage der jahrelangen Erfahrungen aus der Fachstellenarbeit sind individuelle und strukturelle Hürden und Problemlagen sichtbar. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren sowie aktuelle Daten werden erfasst und aufgearbeitet. Somit sollen die Bedarfe der Zielgruppe und die Versorgungsstruktur systematisch erhoben werden. Ergebnisse der Bedarfsanalysen sollen mit einer Analyse des Versorgungssystem abgeglichen und regelmäßig konkrete Erkenntnisse zu den Versorgungslücken dokumentiert werden.
Ziel ist dem Berliner Senat einen realistischen Überblick über die Bedarfe und Versorgungslücken zu geben, damit dieser die Verbesserungen der Versorgungsstruktur in Berlin einleiten kann. Die Ergebnisse werden auch auf dieser Internetseite (siehe Daten und Analysen) bereitgestellt.
Politische Arbeit, Netzwerkarbeit und Wissenstransfer
Grundlage der Arbeit des BNS ist die EU-Aufnahmerichtlinie, für deren vollständige und rechtskonforme Umsetzung sich das BNS in Berlin einsetzt. Dafür arbeitet das BNS mit verschiedenen Akteuren anderer Organisationen zusammen.
Durch die Beratungstätigkeit und den täglichen Kontakt mit besonders schutzbedürftigen geflüchteten Menschen haben die Fachstellen umfangreiche Erfahrungen zur besonderen Schutzbedürftigkeit. Dieses Wissen soll interessierten Akteuren zugänglich gemacht werden, um Hilfsangebote zu verbessern oder besser abzustimmen. Hier geht es auch um eine Sensibilisierung von verschiedenen Akteuren, damit auch diese eine besondere Schutzbedürftigkeit frühzeitig erkennen können.
Auch der Berliner Senat mit seinen Behörden zählt zu den relevanten Akteuren, mit denen das BNS zusammenarbeitet. Das BNS bringt im Dialog mit dem Senat konkrete Verbesserungsvorschläge vor, die auf der Praxiserfahrung des Netzwerkes beruhen. Ebenfalls werden die Ergebnisse der Datenerhebung werden genutzt, um Veränderungen auf politischer Ebene anzustoßen. Ein aktuelles Thema ist die Bescheinigung über eine besondere Schutzbedürftigkeit: gemäß des Berliner Modelles stellen die BNS Fachstellen diese nach Prüfung des Einzelfalles zur Vorlage bei Berliner Behörden aus. Die sich daraus ergebenden Ansprüche sollten zur Gewährung von Versorgungsleistungen führen. In der Praxis ist jedoch oft zusätzlich eine engmaschige Betreuung durch die Fachstellen nötig, um die Rechtsansprüche durchzusetzen. Ein entsprechend vereinfachtes oder automatisiertes Verfahren ist in Berlin noch nicht verwirklicht.
Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen
Hinweisaufnahme von besonderer Schutzbedürftigkeit durch Mitarbeitende im Geflüchtetenkontext oder durch Ehrenamtler:innen setzt Kenntnisse und eine Sensibilisierung über diesem Thema voraus. Das BNS bietet daher auch Schulungen an. Bedingt durch die Corona-Eindämmungsmaßnahmen ist die Umsetzung von Schulung erschwert. Das gilt insbesondere, weil bestimmte Themen wie Trauma aus fachlicher Sicht bevorzugt in Präsenz gehalten werden. Seit Herbst 2020 werden im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten wieder verstärkt Schulungen durchgeführt.
Diese Schulungsmaßnahmen richten sich an externe Akteure (z.B. Ehrenamtler:innen, Integrationslots:innen, Berliner Migrationsbehörden und Mitarbeitende in Unterkünften). Das BNS bietet Schulungen unter anderem zum Thema Schutzbedürftigkeit, Erkennung von Schutzbedürftigkeit und Umgang mit besonders schutzbedürftigen Menschen an. Großes Interesse erfährt auch die Schulung zum Umgang mit traumatisierten und belasteten Menschen. Die Schulungen werden von BNS-Mitarbeiter:innen oder Fachpersonal der Partnerorganisationen angeboten. Anfragen zu Schulungen können an uns gerichtet werden (siehe Kontaktseite). In den Schulungen können wir auf spezifische Bedarfe und Interessengebiete der Teilnehmer:innen eingehen.
Nicht nur externe Akteure sollen qualifiziert, sensibilisiert oder geschult werden, sondern auch die Mitarbeiter:innen des BNS. Den Mitarbeiter:innen wird daher die Teilnahme an Schulungen ermöglicht. Mitarbeiter:innen werden in ihrer Arbeit durch regelmäßige Supervision und Intervision/kollegiale Fallbesprechung begleitet. Hierdurch sollen die Mitarbeiter:innen nicht nur weitergebildet werden, sondern auch befähigt werden, mit den teils schwierigen Themen und Fluchtgeschichten mit denen Sie häufig konfrontiert sind, umzugehen. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Beratungssituation aus.
Zwei Fachstellen arbeiten außerdem an einem Konzept für Schulungen von Dolmetscher:innen und Sprachmittler:innen.